Abnehmen für Geld – ein Kommentar aus psychologischer Sicht

Abnehmen für Geld, funktioniert das?
Astrid Kurbjuweit
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8 Minuten

Zum Thema Abnehmen gibt es immer wieder neue Studien, die es auch in die Medien schaffen. So ist eine neue Studie der Frage nachgegangen, ob Abnehmen für Geld besser funktioniert als wenn nur der Abnehmerfolg die Belohnung ist. Und es wurde festgestellt, dass Menschen mit Adipositas mehr abnehmen, wenn man ihnen für den Abnehmerfolg Geld zahlt.

Vor dem Hintergrund der Überlegungen einiger Politiker, Übergewichtige mit Prämien oder verminderten Krankenkassenbeiträgen zum Abnehmen bewegen zu wollen, ist das ein durchaus interessantes Ergebnis.

Abnehmen für Geld: Die Untersuchung

Verglichen wurden die Abnehmerfolge von fettleibigen Männern und Frauen, die auf drei Untersuchungsbedingungen aufgeteilt wurden. Allen wurde ein innerhalb von vier Monaten zu erreichendes neues Gewicht vorgegeben, das individuell bestimmt wurde und um 6% bis 8% niedriger lag als das Ausgangsgewicht. Für das Erreichen dieses Zieles wurde den Teilnehmern der ersten Gruppe nichts, denen der zweiten Gruppe 150 Euro und denen der dritten Gruppe 300 Euro in Aussicht gestellt. Wenn sie ihr Ziel nur teilweise erreichten, wurde die Prämie anteilig ausbezahlt. Dadurch konnte die Motivation auch dann erhalten bleiben, wenn gegen Ende des Untersuchungszeitraumes klar wurde, dass das eigentliche Ziel nicht mehr erreicht werden kann.

Die Teilnehmer der Prämiengruppen nahmen im Durchschnitt mehr ab (mehr als 5% des Ausgangsgewichtes) als die Teilnehmer, denen keine Belohnung in Aussicht gestellt worden war (2,3% des Ausgangsgewichtes). Bei Frauen machte zusätzlich die Höhe der Prämie einen Unterschied. Die Teilnehmerinnen mit der höheren Prämie verloren mehr Gewicht als die mit der niedrigeren Prämie. Bei Männern war kein solcher Unterschied feststellbar. Die Studie endete nach vier Monaten, über langfristige Effekte kann also nichts gesagt werden. Man weiß also nicht, ob die Teilnehmer ihr neues Gewicht halten konnten, ob sie weiter abgenommen oder wieder zugenommen haben.

Zusammenfassend ist also gefunden worden, dass fettleibige Menschen mehr abnehmen, wenn sie dafür finanziell belohnt werden. Das ist auf der einen Seite natürlich erwartet, denn Menschen tun alles Mögliche, wenn sie sich dafür Belohnungen erhoffen. Auf der anderen Seite könnte man denken, dass der Abnehmerfolg für einen Adipösen Belohnung genug sein sollte, dass also auch die nicht finanziell Belohnten genauso viel abnehmen würden wie die Belohnten.

Warum wirkt die Belohnung?

Man könnte denken, dass fettleibige oder allgemein dicke Menschen sich durch einen Abnehmerfolg oder durch ein niedrigeres Körpergewicht belohnt fühlen würden und alleine dafür die Mühe des Abnehmens auf sich nehmen würden. Dem war zumindest in dieser Untersuchung nicht so. Warum haben die Teilnehmer weniger abgenommen, die keine zusätzliche Belohnung erwarteten?

Die Teilnehmer der Untersuchung waren adipös oder fettleibig, hatten also mehr als nur ein paar Kilo zuviel. Eine Gewichtsabnahme von 6% bedeutet zum Beispiel bei einem Ausgangsgewicht von 100 Kilo ein Zielgewicht von 94 Kilo. Das ist ein realistisches Ziel, das in vier Monaten gut erreicht werden kann und das bereits zu gesundheitlichen Verbesserungen führen kann. Aber es ist nur ein kleiner Teil dessen, was sich der Übergewichtige erträumt. Denn man kann davon ausgehen, dass die übergewichtigen Menschen abnehmen möchten, dass sie schlank sein möchten, dass sie auch bereit sind, dafür alles Mögliche zu tun. Aber eine Gewichtsreduktion von 6% bedeutet natürlich nur einen Bruchteil dessen, was sie sich wünschen, ist oft sogar zuwenig, um den Erfolg überhaupt sehen zu können. Der Übergewichtige wünscht sich nicht 94 Kilo, sondern vielleicht 70 oder sogar noch weniger.

Übergewichtige wünschen sich schlank zu sein, sie wünschen sich nicht ein paar Kilo weniger. Sie wünschen sich, dass andere, oder zumindest ihr Arzt nicht mehr sagt, dass sie zu dick sind und dringend abnehmen müssen, sondern sie wünschen sich, dass jemand bemerkt, dass sie abgenommen haben. Es ist also nicht wirklich verwunderlich, dass die Aussicht auf eine geringe Gewichtsreduktion nicht motivierend genug wirkt, um sich ernsthaft mit der Abnehmproblematik zu befassen. Denn die Probleme, die den Übergewichtigen plagen, ändern sich durch den Verlust von ein paar wenigen Kilos nicht. Man kann also aus dieser Untersuchung nicht allgemein folgern, dass Prämien oder Belohnungen nötig sind, um Übergewichtige zum Abnehmen zu motivieren. Vor allem sollte man sich vor dem falschen Umkehrschluss hüten, dass die Übergewichtigen garnicht abnehmen möchten. Das lässt sich aus den Untersuchungsergebnissen nicht ableiten. Man muss sich die genauen Randbedingungen betrachten, bevor man irgendwelche Schlüsse ziehen kann.

Einem Abnehmwilligen in Aussicht zu stellen, dass sich sein Gewicht um 6% verringern könnte, was gesundheitliche Verbesserungen wahrscheinlich macht, motiviert den behandelnden Arzt, es motiviert nicht den Übergewichtigen, für den sich durch eine solch geringe Gewichtsreduktion nichts Wesentliches ändert. Die gesellschaftliche Situation des Übergewichtigen ändert sich nicht, wenn er ein paar Kilo verliert. Er wird weiter ausgegrenzt und gemobbt, wie vor der Abnahme auch. Sein Spiegelbild gefällt ihm weiterhin nicht, Kleidung zu kaufen ist immer noch eine Tortur. Dass der Verlust weniger Kilos trotzdem ein Erfolg sein kann, wird nicht kommuniziert, sondern (fälschlicherweise) vorausgesetzt. Denn der Erfolg, den der Arzt sieht, der ist für den Übergewichtigen erstmal bedeutungslos. Es fehlt also weniger an finanziellen Anreizen als an sinnvoller Kommunikation.

Hinzu kommt, dass Menschen mit starkem Übergewicht in der Regel schon viele Abnehmversuche hinter sich haben. Das bedeutet auf der einen Seite, dass sie auch ohne finanziellen Anreiz bereit waren, die Mühen des Abnehmens auf sich zu nehmen, und es bedeutet auf der anderen Seite eine oft lange Reihe von erlittenen Misserfolgen. Die demotivierende Wirkung der Erwartung eines erneuten Misserfolges überwiegt unter Umständen die motivierende Wirkung der möglichen Gewichtsreduktion. Dieser Effekt kann unter Umständen durch den finanziellen Anreiz ausgeglichen werden.

Sind langfristige Effekte zu erwarten?

Viel interessanter als die Frage, ob jemand zwei oder fünf Kilo abgenommen hat, ist die Frage nach den dauerhaften Erfolgen, die Frage danach, welche Entwicklung in der Zukunft zu erwarten ist. Langfristige Effekte sind immer schwieriger und natürlich langwieriger zu untersuchen als kurzfristige, es ist also kein Wunder, dass auch diese Untersuchung sich erst einmal auf die kurzfristigen Ergebnisse beschränkt. Aber man darf natürlich spekulieren.

Grundlage dieser Spekulation soll eine in der Psychologie bekannte Unterscheidung sein, die zwischen intrinsischer und extrinsischer Motivation. Ein Mensch ist dann intrinsisch motiviert, wenn die Belohnung für eine Tätigkeit in der Sache selbst liegt. Also ist zum Beispiel ein Übergewichtiger dann intrinsisch motiviert, wenn er abnimmt, um weniger zu wiegen. Oder wenn er sich gesund ernährt, weil ihm dieses Essen gut schmeckt. Oder wenn er zum Sport geht, weil ihm das Spaß macht. Ein Mensch ist dann extrinsisch motiviert, wenn er etwas für eine Belohnung tut, wenn er also zum Beispiel abnimmt, um eine finanzielle Entschädigung zu erhalten. Oder wenn er sich nur deshalb gesund ernährt, weil er sich davon eine Gewichtsreduktion erhofft. Oder wenn er nur deshalb Sport macht, weil das zum Abnehmen eben notwendig ist.

Grundsätzlich können beide Arten der Motivation dazu führen, dass Menschen etwas tun, im Beispiel würden also wahrscheinlich beide abnehmen, sowohl der intrinsisch als auch der extrinsisch motivierte Übergewichtige. Der Unterschied zeigt sich langfristig. Denn während der extrinsisch Motivierte seine Anstrengungen nur solange aufrecht erhält, wie (weitere) Belohnungen in Aussicht stehen, macht der intrinsisch Motivierte solange weiter, wie sein Ziel bestehen bleibt, wie ihm die Sache selbst gefällt. Es steht zu vermuten, dass das auch beim Abnehmen so sein wird.

Langfristiges Abnehmen, wie es für stark Übergewichtige oder Adipöse notwendig ist, setzt also entweder eine intrinsische Motivation voraus, die durch Abnehmerfolge oder Spaß am Sport oder Genuss beim Essen oder ähnliches aufrecht erhalten werden kann, oder eine extrinsische Motivation, die durch immer wieder zu erlangende Belohnungen aufrecht erhalten wird.

Aus psychologischen Untersuchungen ist bekannt, dass Menschen eine Tätigkeit, die sie aufgrund einer extrinsischen Motivation, also aufgrund der Erwartung einer Belohnung ausgeübt haben, schnell aufgeben, wenn die Belohnung ausbleibt. Menschen die intrinsisch motiviert sind, bleiben länger dabei, auch wenn die Belohnung manchmal ausbleibt.

Zum Beispiel ist bekannt, dass Menschen ihre Arbeit ziemlich schnell aufgeben, wenn sie nicht mehr bezahlt werden, Hobbys, die sowieso noch nie bezahlt wurden, dagegen oft lebenslang beibehalten.

Es steht also zu erwarten oder zu befürchten, dass die, die nur aufgrund einer finanziellen Belohnung abgenommen haben, dies nur dann fortsetzen werden, wenn sie weitere Belohnungen erwarten. Bleiben diese Belohnungen aus, werden sie auch das belohnte Verhalten beenden. Es wird also teuer, wenn man mit finanziellen Anreizen arbeiten möchte.

Allerdings kommt es noch schlimmer. Denn es ist bekannt, dass Menschen auch dann eine Tätigkeit beenden, wenn sie ursprünglich intrinsisch motiviert waren, zwischenzeitlich aber belohnt oder bezahlt wurden. Wenn also zum Beispiel Menschen für die Ausübung ihres Hobbys eine Bezahlung bekamen, dann beendeten sie ihr Hobby, wenn die Bezahlung endete, obwohl sie früher dieses Hobby völlig selbstverständlich ohne jede zusätzliche Belohnung ausgeübt hatten.

Auch hier steht zu erwarten, dass es beim Abnehmen genauso sein wird. Wer also von sich aus abnehmen möchte, aber trotzdem dafür belohnt oder bezahlt wird, der wird wahrscheinlich mit dem Abnehmen aufhören, wenn die Belohnung ausbleibt. Durch eine vorübergehende Belohnung kann es also dazu kommen, dass Menschen, die eigentlich abnehmen wollten, dies nicht mehr tun, weil die Belohnung jetzt ausbleibt.

Finanzielle Anreize zum Abnehmen werden also langfristig wahrscheinlich nutzlos sein, jedenfalls dann, wenn sie nicht auf Dauer aufrecht erhalten werden. Schlimmer ist, dass sie durchaus dazu führen können, dass Menschen, die ursprünglich abnehmen wollten, dies nicht mehr tun, weil sie zwischenzeitlich belohnt wurden. Die intrinsische Motivation wird durch finanzielle Anreize zerstört. Das ist auch dann so, wenn dem Betroffenen diese Mechanismen bekannt sind.

Bevor man also aus kurzfristigen Erfolgen finanzieller Anreize seine Schlüsse zieht, sollte man die langfristigen Folgen bedenken. Man kann davon ausgehen, dass Menschen die zuviel wiegen abnehmen möchten. Es fehlt nicht an Anreizen, sondern am Wissen über erfolgreiche Methoden.

Link zur Studie: https://www.rwi-essen.de/publikationen/wissenschaftlich/ruhr-economic-papers/detail/heterogeneous-causal-effects-of-financial-incentives-on-1479

3 Kommentare

  1. Ich würde für Geld jederzeit abnehmen

  2. Ich auch!

  3. Abnehmen für Geld, das wirklich gut klingt. Wir haben oft von vielen Art von Tipps verwirren lassen, müssen wir folgen rechts Abnehmtipps Dann können wir am Ziel erreichen.

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